Hamburg - 04. Januar 2018
Meist kommt es völlig unverhofft – auf einmal lassen sich keine Daten mehr von der Festplatte auslesen. Stattdessen hört man auffällige Geräusche aus dem Inneren der Festplatte, die schon nichts Gutes ahnen lassen. Das leise Klacken – meist ein rhythmisches, klickendes Geräusch – deutet in der Tat meist auf einen mechanischen Schaden der Festplatte hin. Doch was tun, wenn man plötzlich auf seine Daten nicht mehr zugreifen kann?
Eine wesentliche Frage lautet: Wie wichtig sind mir die Daten? Je wichtiger die Daten sind, desto weniger Experimente sollten mit der Festplatte durchgeführt werden. (Kurze Zwischenbemerkung: Mit „wichtig“ meine ich nicht nur unternehmerische, existenzielle Daten, die auf jeden Fall benötigt werden, sondern auch „emotional wichtige“ Daten wie Hochzeitsbilder, Kinderfotos oder andere unwiederbringliche Erinnerungen.)
Es gibt unzählige Tipps im Internet und nicht unwesentlich weniger Tutorials, wie man mechanisch kaputte Festplatten angeblich im Handumdrehen reparieren kann. Die Qualität dieser „Empfehlungen“ ist jedoch als Laie sehr schwer zu beurteilen. Schließlich handelt es sich um ein Fehlerbild, was nicht im klassischen Alltagsgeschehen passiert und wo man gegebenenfalls selbst im Bekanntenkreis weit ausholen muss, um jemanden zu finden, der ein ähnliches Schadensbild mit seiner Festplatte hatte.
Meines Erachtens fängt schon hier das erste große Problem an: Handelt es tatsächlich das identische Fehlerbild? Nur weil mein Auto nicht mehr anspringt muss es nicht immer gleich die Batterie sein, die kaputt ist. Gleiches gilt bei Festplatten. „Aber das kann man nicht vergleichen, und bei klackenden Festplatten ist es ja offensichtlich, was das Problem ist.“ Ist es das? Um die rhetorische Frage mal selbst zu beantworten: Nein, es ist nicht offensichtlich.
Es ist immer wieder erstaunlich, welche Hilfen vorgeschlagen werden. Erst diese Woche habe ich eine Anfrage eines Kunden gelesen, der bei seiner klackenden Festplatte erst einmal die Elektronik getauscht hat. Ein Einzelfall? Mitnichten. Dass das Tiefkühlfach eher zu den Mythen der Datenrettung gehört hat sich inzwischen zwar schon größtenteils herumgesprochen, allerdings hält sich auch dieser Vorschlag noch hartnäckig. Auch youtube Tutorials zeigen auch immer wieder, wie man klackende Festplatten reparieren kann. Was in dem Video natürlich niemand erzählt: der wievielte Versuch war erfolgreich? Es wäre blauäugig zu vermuten, dass das gezeigte Video immer gleich der erste Versuch war, der zum Erfolg führte. (Wenn man sich Let‘s Plays zu einigen Spielen anschaut frage ich mich auch ab und zu, wie häufig der letzte Spielstand geladen wurde, bis das gewünschte Ergebnis erst erzielt wurde.) Oftmals lässt sich auch nicht verifizieren, welchen Wissensstand der Tippgeber mitbringt.
Wenn einem die Daten mehr oder weniger egal sind, spricht natürlich nichts dagegen, seinen eigenen Forschertrieb auszuleben. Man sollte sich lediglich bewusst machen, dass es auch Szenarien gibt, bei denen nach Abschluss des missglückten Experiments dann auch für uns als professioneller Datenretter nichts mehr zu retten ist. Leider müssen wir im Labor häufig genug feststellen, dass schon so viel versucht wurde, dass die Magnetscheiben fatal beschädigt sind. Teilweise ist es auch das x-fache, erneute unter Strom setzen der klackenden Festplatte, was bereits massive Folgeschäden nach sich zieht.
Die spannende Frage ist, weshalb dieses Fehlerbild nicht über einen Kamm zu scheren ist. Als Erstes muss hier erwähnen, dass die Ursache, weshalb die Festplatte begonnen hat zu klacken, sehr unterschiedlich sein kann. Ist die Festplatte heruntergefallen oder hat diese einen Schlag oder eine Erschütterung abbekommen? Ist dies im laufenden Betrieb erfolgt? Ist der Datenverlust durch äußere Einflüsse entstanden (z.B. Hitzeeinwirkung, Luftdruckveränderungen, hohe Luftfeuchtigkeit)? Handelt es sich möglicherweise um eine Festplatte, die schon sehr alt ist und regelmäßig im Einsatz ist? Hier spielt das Thema Verschleiß eine Rolle.
Die Phrase klingt zwar abgedroschen, aber Festplatte ist tatsächlich nicht gleich Festplatte. Was meine ich damit? Beispielsweise muss man unterscheiden zwischen dem Material der Scheiben, auf welchen die ferromagnetische Schicht aufgedampft wurde? Sind es Aluminiumscheiben oder Glasscheiben? Die Magnetschicht ist hier beispielsweise unterschiedlich dick. Ein weiterer, ebenfalls relevanter Unterschied ist die Festplattengröße – meist 3,5 Zoll oder 2,5 Zoll. Gerade bei Sturzschäden oder Erschütterungen wirken hier unterschiedliche kinetische Kräfte. Was man sich häufig nicht bewusst macht: auch das Innenleben der Festplatte sieht oft auch unterschiedlich aus. Wo ist beispielsweise die Parkposition der Festplatte? Auf den Scheiben oder außerhalb der Magnetscheiben? Wie viele Schreib-/Leseköpfe sind in der Festplatte verbaut? Als kurze Randnotiz: Selbst Festplatten gleicher Modellserie können anders aufgebaut sein, eine unterschiedliche Anzahl an Magnetscheiben und Schreib-/Leseköpfen besitzen (Seagate lässt grüßen…).
All diese Punkte zusammen geben schon einmal ein erstes Bild wieder, weshalb man nicht alles über einen Kamm scheren kann und warum pauschale Antworten mit Vorsicht zu genießen sind.
Attingo ist ja inzwischen schon über 20 Jahre auf dem Markt. Man sieht täglich Fehlerbilder an Festplatten, und das Jahr für Jahr. Unsere Techniker kennen die Festplatten, die bei mechanischen Beschädigungen eher „zicken“ als andere. Diese Erfahrung hilft, Schäden schnell zu erkennen und richtige Maßnahmen abzuleiten.
Das Reinraumlabor – das geheimnisvolle Mysterium. Um es kurz zu machen: Nein, das ist es nicht. Es handelt sich um eine Vorrichtung, die dafür sorgt, dass keine Staubpartikel dort hinein gelangen. Ist dies wichtig: ja das ist es, denn Staubpartikel sind größer als der Abstand zwischen Schreib-/Lesekopf und Magnetscheibe. Diese können den Schreib-/Lesekopf beschädigen und Folgebeschädigungen in Form von Oberflächenschäden hervorrufen. Muss dies immer der Fall sein? Nein, natürlich nicht, aber es ist eine wichtige Präventionsvorrichtung vor Folgeschäden – und als professioneller Datenretter sollte man bestrebt sein, alles zu tun, um Folgeschäden bestmöglich zu vermeiden.
Natürlich ist es wichtig, das richtige, baugleiche Ersatzteil auszuwählen. Doch auch der Ausbau der defekten Köpfe sowie der Einbau der neuen Heads birgt nicht unerheblich Risiken. Dies fängt meist schon damit an, dass man zu Hause in der Regel nicht die richtigen Schraubendreher zum Öffnen der Festplatte besitzt. Deutlich schwerer wiegt jedoch die Gefahr, beim Ein- und Ausbau der Heads Oberflächenschäden zu verursachen. Nicht selten haben wir solche Festplatten im Labor, bei denen unsere Techniker erhebliche Oberflächenschäden auf den Magnetscheiben durch unsachgemäßen Umgang feststellen mussten (Die Kratzer auf den Magnetscheiben durch abgerutschte Schraubendreher sind hierbei nur die Spitze des Eisbergs).
Durch hauseigene Datenrettungssoftware haben unsere Techniker die Möglichkeit, „gefährliche“ Bereiche zu überspringen und diese erst zum Schluss auszulesen, wenn die Masse bereits ausgelesen wurde. Dies schont die Ersatzteile und die Magnetscheiben. Wenn erst einmal ein Ring in die Magnetscheibe „gefräst“ wurde, dann ist auch meistens für uns keine Möglichkeit einer Datenrettung mehr gegeben. Und hier ist es schon ausschlaggebend, ob dies zu Beginn der Datenrettung geschieht oder erst am Ende, wenn bereits 99% der Rohdaten ausgelesen werden konnten.
Wie Eingangs erwähnt muss jeder sich die Frage stellen, wie wichtig einem die Daten sind, denn professionelle Datenrettung mechanisch defekter Festplatten ist meist um ein vielfaches teurer als nur der Anschaffungspreis einer Festplatte. Die Kosten sind meiner Meinung nach das einzige – wenn auch sehr gewichtige – Argument, Selbstversuche zu starten. Ansonsten muss man festhalten, dass Datenrettung klackender Festplatten mit Aufwand verbunden ist, wenn man es professionell betreibt. Allerdings sind die Chancen einer erfolgreichen Datenrettung meist auch deutlich höher. Jeder muss für sich entscheiden, welchen Weg er einschlägt. Man sollte nur wissen, dass missglückte Selbstversuche den Aufwand meist nicht geringer machen und die Chancen der Datenrettung zudem noch senken.